Spritzige Tatsachen

Johanna und Nicholas würden sagen, es war ein furchtbarer Tag mit einem schönen Ende. Unsere letzten zwei Tage waren bereits voll mit Kilometer um Kilometer sinnlos fahren für die notwendigen Impfungen. Heute war endlich so weit. Wie uns die Dame gestern am Telefon erklärt hat, war heute tatsächlich ein „Event“ im ComuniCare Health Center. In Amerika sind ziemlich viele Impfungen notwendig um zur Schule zugelassen zu werden, es herrscht Impfpflicht. Und in Österreich war ich jetzt nicht sooo der Fan der vielen Impfungen, darum mussten meine zwei Mausebärlis einiges nach- und mitmachen. Nicholas hat vier Impfungen ausgefasst, Johanna sogar sechs. Dafür hat hier noch niemand je von FSME gehört…

Nachdem die Impfungen heute kostenlos verpasst wurden, waren wir schon 90 Minuten vor dem offiziellen Start vor Ort. Und das war gut so. Die Schlange war um diese Uhrzeit noch nicht sehr lang, und wir mussten nur ca. 90 Minuten warten, bis wir ins Gebäude kamen. Dort dauerte es alles in allem – Formulare ausfüllen, Arztgespräch, weiter warten – noch mal ca. eine Stunde bis wir tatsächlich dran waren. Nicholas hat die ersten beiden Spritzen nicht mal bemerkt, was ich sehr lustig fand. Die nächsten zwei dafür schon. Johanna hatte leider Pech. Schon die erste Spritze war schmerzhaft und von da an ging es nur bergab, mein armer Schatz. Nach knapp drei Stunden waren wir fertig. Und das Ganze hat noch dazu nicht mal einen Dollar gekostet! Wenn man bedenkt, dass wir privat alleine nur für Johannas Impfungen locker 500 Dollar hinlegen hätten müssen. Der Rest des Tages ging ziemlich schaumgebremst über die Bühne, am Nachmittag haben wir uns dann ein wenig im Gemeinschaftspool abgekühlt.

Zum Abschluss des Tages sind wir ins Kino gegangen und haben uns „Dora and the lost City of Gold“ angeschaut. Meine Güte, der war lustig! Innerhalb der ersten fünf Minuten habe ich bereits mehr gelacht als in der ganzen vergangenen Woche! Wer öfter mit seinen Kindern „Dora“ im Fernsehen gesehen hat und auf eine kleine Zeitreise gehen möchte – diesen Film empfehle ich aus ganzem Herzen.
Kurz vor dem Film hatten wir noch ein lustiges Erlebnis. Im Kino-Foyer war ein kleiner Informationstisch aufgestellt und die Dame dahinter hat uns angesprochen. Sie arbeitet für eine Hotelkette, und ob wir nicht eine Tour durch das neueste Hotel der Gruppe, direkt in Austin, haben möchten. Dafür müssten wir nur 65 Dollar zahlen und bekämen als Gegenleistung drei Tage und zwei Nächte in einem beliebigen Hotel dieser Kette. Also Tour plus 65  Dollar ist gleich zwei Übernachtungen für uns vier. Eigentlich kein schlechtes Geschäft, nur brauchen wir dafür unseren Pass. Leider liegt der im Hotel. Macht nichts, die Dame ruft ihren Supervisor an und erzählt ihm wir hätten unsere Pässe in Australien gelassen (jaja, Austria – Australia…). Das Angebot gilt nämlich nur für Touristen ohne Visum. Jetzt frage ich mich nur – wie hat die geglaubt sind wir ohne Pass nach Amerika gekommen? Und auf welche Touristen wartet die bitte in einem kleinen Vorstadtkino von Austin?

Haus: check

Wir wurden akzeptiert! Das heißt, wir dürfen nach Entrichten einer saftigen Kaution (weil wir keine credit history haben) und ziemlich viel Papierkram vermutlich am 1. September in das Riesenhaus einziehen. Damit hat sich auch das größte Problem erledigt – die Schulen für die Kinder. Nachdem wir definitiv eine Adresse haben (werden), können wir bei den Schulen vorstellig werden und den Anmeldeprozess starten.

Leider ist das ziemlich umfangreich. Wir brauchen nicht nur einen Mietvertrag, sondern auch eine ganze Latte an Impfungen. Also verbringen wir den Rest des Tages damit, von einer Klinik zur nächsten zu fahren. Überall verlassen wir uns auf „word of mouth“ dass die nächste Klinik die richtige ist, um geimpft zu werden. Hier gibt es einige „Walk in“ Kliniken, die ohne Termin impfen, aber leider ist keine zu der wir geschickt werden, so eine. Den Durchbruch bringt dann das Telefonat mit einer Dame von der Gesundheitsvorsorge. Sie sagt uns etwas zögerlich, dass morgen ein Impf-Event in einer Klinik im Norden der Stadt stattfinden wird wo wir hingehen können. Und damit ist das Impfthema für heute erledigt.

Wir sind da!

Unser erster „richtiger“ Tag in Austin. Die Kinder verlaufen sich mal eine Stunde im Appartementhaus auf der Suche nach dem Pool. Luftlinie sind es von unserem Balkon 2 Meter geradeaus, 3 Meter runter. Schlussendlich haben sie es aber doch gefunden.

Mit diesem Appartement haben wir einen Glücksgriff gemacht. Es liegt sehr zentral zwischen Olivers Arbeit und unserem hoffentlich zukünftigen Wohngebiet. Außerdem gibt es ein Kino und Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe, obwohl wir dafür das Auto brauchen.

Heute haben wir auch ein Haus angeschaut, für das wir uns schon vergangenen Freitag (aus Österreich, ohne es gesehen zu haben) beworben haben. Es ist nicht ganz das Traumhaus, aber mittlerweile bin ich schon so entnervt, dass wir es nehmen werden, wenn uns die Besitzer akzeptieren.
Oliver hat gezählte 45 Häuser besichtigt. Viele kamen wegen der Lage oder des Zustandes nicht in Frage, oder weil die zugeteilten Schulen schlecht bewertet waren. Und bei den wenigen, die dann von diesen Parametern her gepasst hätten, gab es andere Probleme. Ein paar waren eigentlich gar nicht zu haben. Und die meisten haben uns abgelehnt, weil wir keine credit history in Amerika haben.
Das besagte Haus ist riesig, 380 Quadratmeter Wohnfläche (das Putzen! Das Möblieren! Das Kühlen!). Drei Bäder, vier Klos, fünf Schlafzimmer, Büro, Esszimmer, Wohnzimmer, Küche. Doch Terassen und Garten sind schön, das Grundstück geht hinten gleich auf einen Grüngürtel hinaus. Bis zur nächsten Möglichkeit zum Einkaufen und Kaffeetrinken muss ich dafür zehn Minuten Auto fahren. Die ganze Siedlung liegt abseits des Randes von Austin, weit weg von allem. Obwohl, Johanna kann zu Fuß zur Schule gehen, immerhin. Wahrscheinlich muss ich mich erst an die Entfernungen gewöhnen, aber ich hätte mich schon über ein kleineres Haus mit ein bisschen mehr Abwechslung in der Nähe gefreut. Sorry für´s raunzen. Mal schauen wie es dann wird, wenn wir wirklich drin wohnen.

Wenn einer eine Reise tut

Meine Güte, war dieser Tag anstrengend. Um halb acht Uhr morgens hat uns das Flughafen-Taxi geholt.

Wenn einer eine Reise tut

Wir, schwer bepackt mit 5 Koffern, 4 Trolleys und jeder noch einem Rucksack. Oliver hat bis um halb zwei in der Früh noch die Koffer gepackt, um eine optimale Gewichtsverteilung zu garantieren, ich habe versucht, die Küche und alle Räume in Ordnung zu bringen. Unsere lieben Nachbewohner (Bussi, M&M!) sollen es halbwegs ordentlich haben wenn sie einziehen. Und was soll ich sagen – wir haben den Aufwand für den Umzug total unterschätzt. Ich habe die letzte Nacht auf der Terrasse geschlafen, Oliver im Keller. Alles andere im Haus war belegt mit Sachen. Hauptsächlich Gewand das mitgehört.

Da war´s schon schön!!

Um halb fünf bin ich wieder aufgestanden um den letzten Rest der herumliegenden Sachen in Kisten zu verpacken und das Haus einmal durchzusaugen. Ich hätte nicht gedacht, dass so ein Chaos bei einer Übersiedlung entsteht! (und so viel Lurch, aber klar, bei dauernd Türen auf und jeder kommt mit Schuhen rein…) Egal.

Der Flug war dank erstklassiger Betreuung mit super Stewardess (Danke, Sonja!) ein Vergnügen. Die Einreise in Washington dank korrekter Papiere und eines Officers der offensichtlich weder plaudern noch mehr als nötig arbeiten wollte ein kurzer Prozess. Weiterflug nach Austin – kein Problem. Mittlerweile war es in Austin-Zeit acht Uhr abends, und wir seit fast 19 Stunden unterwegs. Um knapp 22 Uhr Austin-Zeit hatten wir endlich unser Appartement in diesem Irrweg von Gängen gefunden und fielen nur noch ins Bett. Nicht, ohne dass noch ein Security Officer angeklopft hat. Der Nachbar unter uns hat sich beschwert, es höre sich an, als ob Kinder herum hüpfen. Ich kann nur sagen: unsere waren es sicher nicht!

To pack or not to pack

Heute sind die Siedler gekommen. Die packen alles ein und zack, weg. Doch das ist ja nur das Ende eines Prozesses. Ich habe mir vorher einige Gedanken gemacht, was mit darf und was nicht. Ich habe gerne viel Luft und Freiheit um mich herum, und weniger Zeugs. Und so ein Umzug ist dann natürlich der ideale Grund, um mal wieder durchzuschauen, was sich über die Jahre so angesammelt hat. Zum Glück war ich da bei meinen Sachen schnell durch. Ein wenig Gewand ausgemustert, ein wenig Büromaterial und Papier (ich LIEBE Papier…), ein paar Küchen-Utensilien. Doch ich habe ja auch noch zwei Kinder, um die ich mich kümmern will. Für meinen Geschmack sind die noch ein wenig zu jung, um wirklich ganz alleine für ihren Kram verantwortlich zu sein. Jeder der zwei durfte eine Kiste für den Umzug packen, da habe ich nicht dreingeredet. Doch beim Koffer packen und ausmisten war ich schon zur Seite. Ich bin total stolz auf die zwei. Mit Hilfe hat jeder der beiden sich von so einigen Dingen getrennt. Kaputtes Spielzeug, gebrauchte Taschentücher, mit Blut, Schweiß und Tränen Selbstgebasteltes.

Ich bin ja schon zweimal übers Mittelmeer gesiedelt, aber mit zwei relativ großen Kindern noch nie. Und ich habe ein schlechtes Gedächtnis. Das ist bei Hochzeitstagen, Geburtstagen und bösen Taten zwar hilfreich, aber im Zuge des Übersiedelns eher kontraproduktiv. Warum kann ich mir nicht merken, wie das geht? Jedes Mal scheine ich von vorne zu beginnen was das Übersiedeln angeht… Also, drei Stapel bilden. Was darf mit nach Amerika, was darf endgültig entsorgt werden und was soll für zwei Jahre eingebunkert werden? (Danke Mama, Papa). Die Stapel für Amerika müssen dann nochmal in „brauchen wir sofort = Koffer“  und „brauchen wir generell = Container“ geteilt. Genauso wie der Stapel „Entsorgt“ in „Wegschmeißen“ „Verkaufen“ und „Flohmarkt schenken“ unterteilt gehört. Irgendwann nach der geschätzten 10 tausendsten Einzelentscheidung habe ich kapituliert. Wir haben einfach zu viel Zeugs. Bis Mittwoch haben wir schön alles für Amerika zusammengesucht. Das kam alles in einen Container. Die netten Herren haben auch noch unsere zerlegten Betten und Kästen zu meinen Eltern geführt. Nachdem die Übersiedler da waren haben wir noch ein wenig ausgemistet und weggeschmissen. Am Samstag kamen zwei vom Sozialkaufhaus und haben gute, aber nicht mehr von uns gebrauchte Sachen mitgenommen. Was dann noch im Haus war, habe ich einfach nur noch in Kisten geschmissen und in das Haus meiner Eltern geführt.
Man sollte glauben, was man für zwei Jahre nicht braucht, braucht man überhaupt nicht mehr. Ich bin gespannt, was wir mit den ganzen Sachen machen, wenn wir wieder zurückkommen? Dürfen die eins zu eins wieder mit uns einziehen?

Wie alles begann

Wir ziehen in nicht mal drei Wochen für zwei Jahre nach Amerika. Noch haben wir zwar keine Visa, kein Haus in den Staaten und damit auch keine Schule für die Kinder, keine Steuernummer, kein Konto, kein…. Ach, was soll´s. Wir haben Flugtickets für den 12. August, und heute ist der 25. Juli.

Oliver als Spezialist für End-to-End-Tests ist der Haupt-Verantwortliche für den ganzen Aufwand, ich der partner in crime, Nicholas und Johanna mitgefangen – mitgehangen. Die zwei werden für zwei Jahre die middle school bzw. elementary school besuchen, während ich mich um die soziale Komponente und Heim und Garten kümmern werde. Ich bin 42 Jahre alt und übersiedle mittlerweile das dritte Mal auf einen anderen Kontinent. Ich muss verrückt sein.

Olivers Beruf bedingt dass wir uns für zwei Jahre nach Austin, Texas verziehen. Zu Hause lassen wir ein nettes Häuschen in einer netten kleinen Stadt zurück, aber hauptsächlich auch die Familie, viele supergute Freunde und ein ganzes nett aufgestelltes Leben. Und warum? Weil wir immer schon unseren Kindern zeigen wollten, dass man keine Angst vor Neuem haben sollte. Davor, etwas auszuprobieren. Über den Tellerrand zu schauen. Andere Kulturen kennen zu lernen. Überhaupt, wo es dabei so gut wie kein wirtschaftliches Risiko gibt. Bär macht einen Transfer innerhalb der Firma und damit ist das Gröbste schon gecheckt. Und wir haben doch schon vier Jahre in Südafrika gelebt, also kann alles nur halb so schlimm werden.

In diesem Sinne, willkommen im Abenteuer!

Kurzer Nachtrag: Mittlerweile wurde auch unser Visum bestätigt, also steht unserer Reise nichts mehr im Weg.